Der Release von Battlefield 1 ist nun schon ein paar Wochen her. Die Entwickler von DICE und Electronic Arts deuten mit der ungewöhnlichen Namensgebung an, dass der Blick in die Vergangenheit statt in die Zukunft gerichtet werden soll. Weshalb Battlefield 1  als Renaissance des Weltkriegs-Shooters angesehen werden kann, erfahrt ihr in dieser Review.

Zu Beginn des letzten Jahrzehnts erfreute sich das Genre der Weltkriegs-Shooter bei der Spielerschaft großer Beliebtheit. Medal of Honor: Allied Assault wurde im Frühjahr 2002 für den PC veröffentlicht und war in seiner Inszenierung des D-Days in starker Anlehnung an Stephen Spielbergs Der Soldat James Ryan konzipiert. Infinity Wards Call-of-Duty-Reihe, die sich zum Genre-Primus erheben sollte, nahm im Herbst 2003 seinen Anfang.

Auch das Entwicklerstudio DICE startete mit dem ersten Teil der Battlefield-Reihe Battlefield 1942 ein Jahr zuvor bereits seinen Abstecher in den Weltkrieg. Es folgten etliche weitere Shooter-Titel, die allesamt vor der selben Kulisse spielen sollten. Doch irgendwann setzte der Übersättigungseffekt ein und der Zweite Weltkrieg hing den Spielern zum Halse raus.

© Electronic Arts/DICE

Mit Call of Duty: Modern Warfare war die Ära der Weltkriegs-Shooter schließlich zu Ende gegangen und fortan wurden moderne (reale und fiktive) Kriegsschauplätze ausgeschlachtet. Auch hier zogen viele Entwickler mit und brachten ihre eigenen Versionen der modernen Kriegsführung auf den Markt. DICE versuchte den mit Battlefield 2 (2005) schon begangenen modernen Weg mit Battlefield 3 (2011) und Battlefield 4 (2013) fortzusetzen, um den Klassenbesten Call of Duty vom Thron zu stürzen, was niemals so wirklich gelang.

In letzter Zeit verschoben sich die Spiel-Szenarien des Shooter-Genres vermehrt immer weiter in die nahe und ferne Zukunft. Während Activision sein Call-of-Duty-Franchise mit Black Ops III, Advanced Warfare und nun auch Infinite Warfare in futuristische Kriegsumgebungen katapultierte, macht DICE mit Battlefield 1 nun einen großen, weiten Sprung zurück und versetzt den Spieler in die Zeit des Ersten Weltkriegs. Es ist ein Rückgriff auf einen archaischen Krieg, in dem der zynische Begriff des Menschenmaterials für die Massen der zwischen den Fronten verheizten Soldaten geprägt wurde.

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Die überraschende Singleplayer-Kampagne

Das Battlefield-Franchise war bislang nicht für die Qualität seiner Singleplayer-Kampagnen bekannt. In dem Bemühen dem Genre-Spitzenreiter Call of Duty die Anhänger abzuluchsen, ahmten die Entwickler von DICE stets die Erzählstrategien des Bombast-Militär-Shooters aus dem Hause Activision nach. Der Spieler hechtete in klaustrophobisch-engen Gängen von einem gescripteten Event zum nächsten, nur darauf wartend, dass unzählige Explosionen Michael Bay’scher Ausmaße den Weg zum Levelende pflastern würden. Die Singleplayer-Kampagnen von Battlefield waren somit erzählerisch und spielerisch immer minderwertiges Beiwerk (beispielsweise bei Battlefield Hardline) und die schwächste Komponente eines jeden Battlefield-Titels. Bis jetzt.

Der Singleplayer-Modus von Battlefield 1 ist DIE Überraschung schlechthin. Endlich kann ich bedenkenlos sagen, dass die vorgestellte Kampagne dem Spiel einen echten Mehrwert beschert und dem Multiplayer-Part als gute Ergänzung zur Seite gestellt werden kann – sowohl durch die erzählerischen Aspekte, als auch durch die neue spielerische Machart. Doch dazu später mehr.

Anstatt einen einzelnen Helden in klassischer Rambo-Manier über mehrere Schauplätze hinweg zu begleiten, erschuf DICE eine Anthologie über den Ersten Weltkrieg. Diese Ansammlung von fünf Kriegsgeschichten, die wie eine Serie samt Vorspann und Abspann präsentiert werden, besticht nicht nur durch unterschiedliche Tonalitäten, sondern führt den Spieler auch in immer neue Facetten und Details des zugrunde liegenden Gameplays ein.

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Ein fulminanter Prolog ohne Erfolgsaussicht

Die Kampagne beginnt mit einem wuchtigen und beeindruckenden Prolog. Der Spieler wird in die Rolle eines Harlem Hellfighters versetzt, einem Mitglied des 369. amerikanischen Infanterie-Regiments, welches nur aus afro-amerikanischen Soldaten bestand und die zu dem Spitznamen gelangten, da sie keinen Schritt zurückwichen und bis zum bitteren Ende kämpften. Ein eingeblendeter Text macht deutlich, was den Spieler nun erwartet: „Du wirst vermutlich nicht überleben.“

Inmitten einer brennenden Ruinenlandschaft irgendeiner Front muss sich der Spieler heranstürmenden Gegnern erwehren und bis zum Überleben kämpfen. Sollten wir nicht so lange standhalten, werden wir nach dem Ableben in einen anderen Soldaten verpflanzt und spielen aus seiner Sicht weiter. Dabei überschlägt sich der Titel geradezu mit sowohl bombastischen, aber auch subtilen Effekten. Graue Nebelschwaden hängen über den Schlachtfeldern. Granaten schlagen wuchtig neben dem eigenen Kopf ein. Holzsplitter, Gesteinsbrocken und Querschläger fliegen durch die Luft. Der matschige Morast dieser Endzeitkulisse ist förmlich auf der eigenen Haut spürbar. Der Prolog endet in einem Standoff zwischen zwei verfeindeten Soldaten, die schlußendlich doch voneinander ablassen. Auch wenn dieser letzte stille Moment mit romantischem Kriegspathos behaftet ist, so stimmt diese Episode gut auf die restliche Kampagne ein: Der Krieg wird als sinnloser Horror und menschliche Tragödie zugleich präsentiert.

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Von Panzern, Tauben und Flugzeugen

Nach diesem fulminanten Einstieg verschlägt es uns in der nächsten Kriegsgeschichte in die Haut eines jungen, britischen Panzerfahrers, der mit der „Big Bess“, einem britischer Panzer Mk. V, und der dazugehörigen Crew die gegnerische Front durchbricht. Hinter feindlichen Linien kommt das gepanzerte Ungetüm in einem morastigen Sumpf zu erliegen und der spärlich ausgerüstete Panzerführer muss nach Ersatzteilen suchen.

Hier kommen zum ersten Mal die Stealth-Mechaniken zum Tragen, die so auch schon in Battlefield Hardline zum Einsatz kamen. Auch wenn die Computer-Kontrahenten nur die Intelligenz einer Breitmaul-Kröte und das Sichtfeld eines Toasters besitzen – erst diese stillen Stealth-Partien sorgen dafür, dass die imposanten und bombastischen Blickfang-Szenen im Panzer so richtig zur Geltung kommen. Und auch eine im Panzer mitgeführte Taube, die in einer kurzen Sequenz kurzerhand von uns an ihr Ziel gesteuert wird, beweist, dass nicht nur Schwalben eine wichtige Last tragen können.

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Wer schon immer Respekt vor den Fahrzeugen in den Battlefield-Titeln hatte, der bekommt in dieser Kriegsgeschichte und der folgenden einen guten ersten Einblick in die Steuerung der Vehikel. In der dritten Kampagnengeschichte, die uns in die Fußstapfen eines säbelrasselnden Piloten mit Betrügerqualitäten schlüpfen lässt, erlernen wir das Fliegen eines militärischen Propellerflugzeugs der Airforce ehe wir abermals hinter feindlichen Linien abstürzen und uns unseren Weg zum Niemandsland bahnen müssen – dem apokalyptischen Streifen zerbombten Landes zwischen englischer und deutscher Front.

Diese Episode neigt zum Schluss hin zu einer übertriebenen Inszenierung der Luftkämpfe, die darin ausartet, dass der Pilot auf einem brennenden und explodierenden Zeppelin über der Londoner Themse in einen Faustkampf verwickelt wird. Glücklicherweise hat sich DICE für diese überladene und an Michael Bay orientierte Hollywood-Bombast-Action eines Kunstgriffes bedient: Womöglich hat der unzuverlässige Halunke, der als Erzähler fungiert, sich doch alles nur ausgedacht?

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Verschenktes Potential

Trotz all der Variation, die der Singleplayer-Modus zu bieten hat, gibt es doch auch einige Kritikpunkte anzumerken: So beleuchten die Kriegsgeschichten nur die Seite der Entente, also der Siegermächte des Ersten Weltkrieges. Die Perspektive aus deutscher, osmanischer oder russischer Sicht bleibt bislang verwehrt. So muss man sich auf mögliche DLCs gedulden.

Auch wenn die Kampagne genügend Abwechslung bietet, so sind insbesondere die späteren Kriegsgeschichten doch recht kurz geraten. Die Erzählung zweier italienischer, verbrüderten Soldaten als Teil einer Spezialeinheit bleibt weitestgehend auf der Strecke und lässt trotz allem Bemühen wirkliche emotionale Tiefe vermissen. Die Geschichte des griesgrämigen und kriegserfahrerenen Meldegängers der australischen Armee im Nahen Osten, der während der Schlacht von Gallipolli einen jungen Schützling unter die Fittiche nimmt, will ebenso nicht zünden.

Leider wird auch die als Rahmenerzählung zu erkennende Geschichte des Harlem Hellfighters aus dem Prolog nicht wirklich zu einem befriedigenden Abschluss geführt. Die pathetischen Monologe des vom Krieg gebeutelten Mannes verharren ohne wirkliches Ergebnis in der Luft. Es beschleicht mich der Verdacht, als wäre Electronic Arts und DICE in den letzten Atemzügen der Entwicklung die Luft ausgegangen. Hätte DICE womöglich nur zusätzliche Zeit zur Ausarbeitung gebraucht?

Abschließend lässt sich aber über den Singleplayer-Modus sagen, dass er eine sehr gute erste Einführung in die Mechaniken des Multiplayer-Parts liefert. Sei es, dass Kontrollpunkte erobert werden wollen, wir die Wichtigkeit des Spottings erkennen oder wir die Vehikel wie Panzer und Angriffsjäger besser kennenlernen. DICE tat gut darin, sich von Call of Duty zu lösen, denn die Kampagne blüht auf, wenn die Entwickler den Spieler auf große chaotische Areale, wie die Sinai-Karte in der letzten Kriegsgeschichte, statt auf klaustrophobisch enge Gänge loslassen. Paradoxerweise spielt sich die Battlefield-1-Kampagne dadurch mittlerweile besser als der Singleplayer-Modus des neuen Call of Duty: Infinite Ware aus dem Hause Infinity Ward.

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Der Multiplayer

Es gibt im Leben ganz einfache Konstanten: Montage sind nicht die besten Wochentage. Bacon schmeckt immer. Und Battlefield-Multiplayer bleibt Battlefield-Multiplayer. Auch Battlefield 1 versorgt den Spieler mit diesen typischen Battlefield-Momenten, in denen das emergente, chaotische Gameplay ganz eigene, grandiose Geschichten erzählt.

Der Conquest-Modus stellt dabei immer noch das Brot- und Buttergeschäft dar. Hier lebt das chaotische Kriegsgeschehen in seiner gesamten Unvorhersehbarkeit auf und lässt uns intensive und theatralische Erlebnisse erfahren, die so nur in einem Battlefield-Spiel möglich sind. Damit Matches bis zum Schluß ausgeglichen bleiben, wurden nun Behemoth-Fahrzeuge eingeführt. Liegt ein Team ab einem gewissen Zeitpunkt punktemäßig zu weit zurück, erscheinen diese Ungetüme in Form von riesigen Kampfzeppelinen, Kriegszügen und Schlachtschiffen, um das Ruder nochmal herumzureißen. Obwohl diese gigantischen Vehikel bemannt werden können und eine enorme Feuerkraft auf das Schlachtfeld bringen, sind sie nicht unfairerweise stark. Der Feind darf die Behemoths nur nicht ignorieren und muss die eigenen Waffen darauf konzentrieren und schön fällt ein solcher Koloss in einer zutiefst befriedigenden Explosion.

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Packende neue Spiel-Modi

Auch im Multiplayer-Modus gibt es eine erfreuliche Überraschung in Form des Operations-Modus. Eingebettet in eine kleine Rahmenerzählung samt Vorspann und Endsequenz wird hier der dynamische Verlauf einer historischen Kriegsoperation auf Makro-Ebene nachvollzogen. Zwei Kriegsmächte leisten sich ein blutiges Tauziehen um Sektoren, dessen genauer Verlauf durch das Abschneiden in den einzelnen Runden bestimmt wird. So kann sich eine Operation schon mal über eine Stunde hinauszögern, bis ein endgültiger Sieger feststeht. Kurz gesagt lassen sich die Operationen als eine Kombination der großflächigen Intensität des Conquest-Modus und der kleineren Nahkämpfe des Rush-Modus beschreiben und fühlen sich wie eine zusammenhängende Mini-Kampagne an. Battlefield-Fans sollten diesen Modus durchweg lieben.

DICE hat noch einen weiteren Spielmodus hinzugefügt: War Pigeons. Hier stehen sich die zwei Teams gegenüber, um eine Brieftaube zu erobern. Diese Taube funktioniert wie eine einzelne Flagge bei klassischen Capture-The-Flag-Spielmodi. Hält ein Team die Taube für einen gewissen Zeitraum für sich in Anspruch, können so Koordinaten auf eine Botschaft niedergeschrieben werden, die die Taube dann zur nächsten Artillerie bringt, um einen Beschuss des Gegners anzufordern. Das gegnerische Team erhält die Möglichkeit, die Taube aus der Luft abzuschießen. Wer dreimal Artillerieunterstützung anfordern kann, gewinnt das Match.

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Wiederentdeckte Roheit und Bodenständigkeit

Der Multiplayer in Battlefield 3 und Battlefield 4 konnte bisweilen häufig militärisch-klinisch-rein wirken. Während in Battlefield 4 das dynamisch zerstörbare Terrain den punktuellen Levelution-Zerstörungen wich, womit die Karten auf einen Schlag drastisch verändert wurden, findet in Battlefield 1 das aus Bad Company 2 bekannte kartenweite, individuelle Zerstörungssystem wieder seinen Einzug ins Franchise. Mit Hilfe eines Panzers oder Behemoths lassen sich in schnellster Zeit ganze Straßenzüge dem Erdboden gleich machen. Hinzu kommt ein dynamisches Wettersystem, welches zufallsbedingt auch mal einen Sandsturm aufkommen lassen kann und somit die Karten auch wieder ein Stückchen anders spielen lässt.

Das verstaubte Oldtimer-Gefühl der altertümlichen Waffen verhindert, dass Battlefield 1 zum lupenreinen und hochtechnisierten Lustobjekt für Militärfetischisten wird. Bei allen Waffen schwingt naturgemäß eine lange nicht mehr wahrgenommene Roheit und archaische Bodenständigkeit mit. Das alles wird unterstützt von dem wiedermal erstklassigen Sounddesign, welches Waffen, Fahrzeuge, Explosionen und Querschläger mit Klicken, Knarzen und wuchtigem „Ooomph“ so realistisch wie eh und je abbildet. Das Chaos des Krieges wird durch kleine narrative Einsprengsel unterstützt, erzählt durch eingefügte Soundschnippsel der Kameraden. Man hört Trillerpfeifen und Rufe der anderen Soldaten, die nach Müttern und Angehörigen schreien.

Der Multiplayer lebt von der phänomenalen Bombastoptik und dem meisterlichen Sound-Design. Dabei besticht der Titel durch Bodenständigkeit und Roheit. Es ist geradezu erfrischend, dass wir es mit Battlefield 1 nicht mit noch einem weiteren klinisch-reinen und glattgebügelten Militär-Shooter zu tun haben. Die chaotische Multiplayer-Action bietet dank der vielen dynamischen Variablen erstklassiges, emergentes Gameplay und weiß sich mit Hilfe der Opulenz der Bildsprache in einer lange nicht mehr erfahrenen rohen Kompromisslosigkeit und Ursprünglichkeit in Szene zu setzen.

Battlefield 1 Review: Das Fazit

Battlefield 1 umschifft keineswegs die wahnwitzigen Greuel und Schrecken des Krieges, ist aber beileibe auch keine präzise Wiedergabe der historischen Fakten. DICE und Electronic Arts erinnern sich mit Battlefield 1 vielmehr an alte Tugenden und bewegen sich inszenatorisch hin zu den bodenständigen und rohen Erfahrungen – weg vom klinischen, hochtechnologisierten Militäreinsatz mit Höchstpräzision. Mit viel Matsch, düsteren Farben, archaischen Waffen und wuchtigen Explosionen haben die Entwickler eine erstklassige Renaissance des Weltkriegs-Shooters begründet und so ist Battlefield 1 eine klare Spielempfehlung für diesen Winter.

Battlefield 1 ist erhältlich für PC, PS4 und Xbox One.

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